Das ein Mann, zwei Frauen Stück heisst "Alles muss man selber machen" und ist ein fiktiver Vortrag über die Globalisierung. Das Publikum sitzt stellvertretend für ein Weltparlament in
einem Sitzungssaal aus Bananenkisten. La Hengst ist nicht in ihrem Element, zumindest vorerst nicht. Die Nervosität steht ihr in die Bewegungen geschrieben. Doch spätestens als sie ihren
ersten Gesangspart hat, ist sie von ihrem Nervenkostüm in die Chefetage befördert worden. Sie singt: "Ich bin eine Idee und gehöre keinem, ausser mir selbst und allen, die es gut mit
mir meinen. Copy me. I want to travel." Das ist natürlich auf das Theaterstück gemünzt, das darauf hinweist, dass man einfach so daher gehen kann und sich eine Pflanze aus dem Urwald
patentiert, die man dann für die Verwendung in der Pharmaindustrie verkauft. Andererseits passt der Text auch zu La Hengsts unnahbarem Image. Nach aussen wirkt sie unumgänglich, bohrend und
vor allem überlegen. Sie hat eine Power, die weder einlädt noch abstösst. Und das ist nicht der Eindruck, den sie auf Männer hat. Frauen urteilen genauso.
Zum einen strahlt da immer noch der Name ihrer Band Die Braut haut ins Auge aus. Das klingt zwar lächerlich, aber man muss es ernst nehmen, denn tatsächlich wirkt solch ein Titel
anscheinend nach, auch wenn das letzte Konzert der Band vom November 1999 schon eine Weile her ist. Andererseits hat das bestimmt auch mit ihrem Engagement für Musikerinnen zu tun. Klischees
sind wie Zombies, nicht totzukriegen. Und das Klischee der Emanze bei jeglicher Aktivität in Frauenfragen geht mit ausgestreckten Händen voran. Ihr Blick, der einen zu scannen scheint, unterstützt das. Aber alles Trugschluss. La
Hengst ist ein Mensch, der alles gut überlegt und deren Gedanken kein Lächeln vorschieben. Jedes Lächeln ist echt und kein höflicher Reflex.

Zwei Wochen zuvor tritt sie auf dem Berliner Chansonfestival auf. Eine Veranstaltung, die traditionell sitzend konsumiert wird. Wie sie selbst bemerkt, ist das für die langjährige Musikerin
auch ein Novum. Es passt nicht ganz zu ihrer Musik, die sie mit beeinflussbarem Halbplayback vorträgt. Sie hat die Situation jedoch schnell im Griff und demonstriert ihre Definition von Energie.
Sie steht hinter ihrem Sequenzer und dreht an den Reglern als ob sie ein wildes Gitarrensolo spielen würde, geht total ab in ihrem Jeans-Kleid, schüttelt das blonde Haar und wippt die
Lederstiefel im wilden Beat. La Hengst hat es geschafft absolut tanzbare Lieder im Independent Style zu schaffen, die man nun wirklich nicht in die Elektroecke stellen würde. Das ist eigentlich
klassischer Rock-Pop mit Tiefe und anderen Mitteln. Und was ist das für ein Gegensatz zu den Chanson-Künstlern vor ihr. Wurde da noch das geboten was man sich so unter Chanson vorstellt,
also wichtig, wichtig, Vorsicht Kunst! Gehabe und Geschichtenerzähler am Klavier, so ist die Welt nun für die einen aus den Angeln, für die anderen im Lot. Es wird getanzt und die
Bestuhlung Einrichtung gelassen. Was will man mehr?
La Hengst ist die Musikerin aus dem "Fast Weltweit" Verbund in Bad Salzuflen, ein Kassetten-Label, das in der zweiten Hälfte der Achtziger versuchte deutschsprachige Popmusik für die
heutige Zeit zu definieren. Blumfeld entstanden daraus, Die Sterne, Bernd Begemann und auch der Komiker Achim Knorr waren damals dabei: "Da wurde dann viel über Musik geredet und auch sich
ausgetauscht untereinander", erzählt La Hengst, "es waren eigentlich alles eher so Einzelkämpfertypen, die sich dann die Musiker hin und her ausgetauscht haben. So ein bisschen das
Motown-Prinzip. Also, es gab fast eine feste Band, oder die besten Musiker: ein Schlagzeuger, einen Bassisten, jeder spielte irgendwie Gitarre und die Sänger, die dann überall Background
gesungen haben. Da hat man sich so aneinander gerieben und weiterentwickelt, in dieser idyllischen, weltfremden... ja, fast weltfremden Kleinstadt Bad Salzuflen, geguckt wie man sich definiert in der
grossen weiten Welt. Wir hatten natürlich noch keine Ahnung was es da draussen gab, ausser die Platten, die wir hatten. Und dann ging´s halt nach Hamburg, für die meisten. Und da hat
sich das dann auch schnell in die verschiedenen Richtungen entwickelt. Ist auch ganz gut so."

Wir sitzen in einem Café an der Skalitzer Strasse in Kreuzberg, direkt neben der Trasse der U1. Dies war kurz vor Maueröffnung La Hengsts Kiez. Man merkt, dass sie noch eine gewisse
Verbundenheit zu ihm hat, aber sie nennt Hamburg ihre Heimat. Sie wirkt auf legére Weise elegant und redet ganz entspannt und mit wachen Augen, die noch ein wenig müde scheinen, von der
Wichtigkeit dieser Jugendbande: " Wenn man früh lernt, sich an so bestimmten Begriffen, was ist denn Popmusik, wie kann denn so ein Lied funktionieren, wie stelle ich mich dar? Und wenn
man sich mit mehreren Leuten darüber austauscht, dann hat man auch später nicht so viele Schwierigkeiten sich zu definieren. Also, ich merke halt schon, unheimlich viele Leute, die
spät angefangen haben, die dann erst mal alles, an dem wir uns schon mit 16, 17, 18 aufgerieben haben, natürlich Spex gelesen, das Zeug, und ähnliche Bücher gelesen, und gemeinsam
sich so halt abgekämpft an diesen Themen: Rockmusik, Welt, Politik irgendwie. Das ist schon eine gute Schule muss ich sagen. Eine bessere Schule gibt es eigentlich kaum. Es gibt ja nun mal keine
Popschule, darüber bin ich ja auch ganz froh. Wenn es sie gäbe, gäbe es wahrscheinlich noch mehr Jeanette Biedermanns." Als ich verschiedene Popakademien erwähne, die gerade
eröffnet werden, verdreht La Hengst die Augen: "Ach Gott, das wird nichts! Furchtbar, da kommt ja noch mehr Scheisse raus als es so schon gibt." Ich: "Xavier Naidoo ist dort dann Dozent." La
Hengst: "Oberdozent, ja, natürlich."

La Hengst kennt die Jugendzentren, Bars und Clubs Europas, ist also eine Musikerin im klassischen Sinne, die jedoch auch die aktuellen Tendenzen in der Musik zu verstehen versucht: " Ich war neulich
Schirmfrau einer Veranstaltung in Hamburg, die Mädchenspektakel heisst. Das ist für Mädchen zwischen acht und sechzehn. Da treten dann Bands und Tanzgruppen auf. Da geht es viel um
HipHop und RnB. Da haben ganz viele Mädchen in diesen HipHop Tanzgruppen getanzt, sehr sehr beeindruckend, aber... die spielen keine Instrumente. Das reicht denen dann halt. Die sehen sowas wie
DSDS oder No Angels, Mädchenbands, die gut tanzen, gut aussehen und eine tolle Frisur haben, und das versuchen sie halt nachzumachen. Auf die Idee zu kommen, sich vor den Computer zu setzen und
solche Musik selbst zu machen, was ja relativ einfach ist mittlerweile, da kommen die leider nicht drauf. Aber dafür bin ich da, um den Mädchen zu zeigen, dass es geht."
Wobei wir beim Thema wären. Ihr Engagement für Frauen in der Musik. Der interessanteste Teil dabei ist, in was solch ein Engagement seinen Ursprung hat. La Hengst zeigt sich ob der Frage
zwar ein wenig verwundert, robbt sich jedoch sogleich bereitwillig an ihrer Erinnerung entlang: " Wenn du als Frau anfängst Musik zu machen, und du machst deinen ersten Soundcheck, dann ist da
immer ein männlicher Mischer vor Ort. Und wenn du einen Tourbegleiter dabei hast, wird erstmal der gefragt: Bau doch mal das Schlagzeug auf, stimm doch mal die Snare. Anstatt sie dich fragen,
weil sie nie darauf kommen würden, dass das dein Schlagzeug ist. Es geht mir immer noch so. Es ist manchmal unfassbar, was für eine Arroganz und Naivität, sage ich jetzt mal milde, dir
entgegengebracht wird. Wenn ich jetzt alleine auf der Bühne stehe, mit 27 Instrumenten und einer Menge Elektronik, und ich habe einen Gastmusiker dabei, wird er jedes mal nach den
Anschlüssen und Volt-Zahlen gefragt. Doch der hat gar keine Ahnung davon und sagt dann immer, frag doch Bernadette. Das sind ihre Instrumente. Es wird immer davon ausgegangen... es ist
lächerlich, wir leben eigentlich in einer Welt die eigentlich emanzipiert ist. Aber es ist nicht so. Und natürlich muss man sich als Musikerin auch immer doppelt beweisen, weil, auch viele
Frauen, einem vorwerfen, man würde von dieser Sonderrolle profitieren. Und dann muss man sich nochmal beweisen. Aber ich profitiere gar nicht davon. Ich kann ja mein Handwerk. Aber bei
geht´s ja gar nicht um´s Handwerk, bei mir geht´s um Ausdruck oder um eine Idee, oder Vision, aber nicht darum, dass ich ein Instrument beherrsche."

Und dann ein ebenso überraschender wie unglaublicher Grund in dieser Richtung aktiv zu werden: 0,5 Prozent. Diese Zahl beschreibt den weiblichen Anteil der professionellen Musiker in deutschen
Landen. " Das fällt einem natürlich nicht auf, wenn man ne Menge Jeanette Biedermanns oder Britney Spears im Fernsehen sieht", beginnt La Hengst mit bestimmter Stimme, "dann denkt man
natürlich die Welt ist überflutet mit weiblichen Musikerinnen. Dass die meisten aber allerdings nur in Anführungsstrichen, meine ich natürlich jetzt nicht so, Sängerinnen
sind, weder ihre Instrumente spielen, noch ein Wort ihrer Texte selbst geschrieben haben oder geschweige denn ihre Musik selbst produzieren, wird kaum erwähnt. Es gibt Erhebungen, dass in einer
Jugendmusikschule 80 Prozent Mädchen sind und im professionellen Bereich nur 0,5 Prozent. Das ist unglaublich absurd. Ich bin zusammengebrochen als ich es gehört habe." La Hengst sieht den
Grund dafür, dass die gesamte Berufswelt männerdominiert ist und weil Jungs keine guten Teenie-Fans sind. "Dadurch werden die Mädchen auch immer in diese Rolle gedrängt. Sie sind
diejenigen, die vor der Bühne stehen und kreischen und wahnsinnig werden. Und Jungs sind halt die, die coolen In-der-Ecke-Steher oder die, die sich das Instrument umschnallen. Es ist immer noch
dieses Klischee."

Text / Livebild: Christian Biadacz
Bilder: Sandra Heckeroth
Mehr zu Bernadette La Hengst unter www.lahengst.com

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